Alltägliches Erziehungsverhalten und Demokratieförderung

Das Ziel dieser Übung ist eine vertiefende Auseinandersetzung mit demokratiefördernder Erziehung in alltäglichen Situationen und der Alltagskommunikation in Familien. Die Übung stößt eine Reflexion über die Wirkung des elterlichen Erziehungsverhaltens auf das Kind an. Ausgangspunkt ist dabei eine Konfliktsituation.

Die Teilhabe an demokratischen Prozessen baut auf einer Reihe grundlegender individueller und sozialer Fähigkeiten auf, die weitgehend in Kindheit und Jugend erlernt werden. Zu solchen Demokratiefähigkeiten zählen neben den Fähigkeiten, eigene Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen und eigenes Verhalten zu reflektieren ganz wesentlich auch die Fähigkeit mit Konflikten umzugehen, diese zu besprechen und gemeinsame Lösungswege zu finden. Solche Fähigkeiten altersgemäß zu vermitteln, ist ein wichtiges Ziel demokratiefördernder Erziehung.

Dabei lebt Erziehung immer auch bestimmte Verhaltensweisen vor. Entsprechend spielt die Reflexion des Erziehungsverhaltens der Eltern eine große Rolle. Für eine Elternarbeit, die die demokratische Teilhabe fördern und die Anfälligkeit für antidemokratische Ideologien verringern will, ist es wichtig, die Wirkung von Erziehungsverhalten und Erziehungsstilen auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu reflektieren.

Der produktive Umgang mit Konflikten ist eine wichtige Voraussetzung für pluralistische Demokratien. In politischen Auseinandersetzungen geht es nicht immer harmonisch. Manchmal gibt es keine einfache Möglichkeit, gegensätzliche Wünsche und Perspektiven miteinander in Einklang zu bringen. Damit umzugehen ist auch emotional eine Herausforderung. Die Erfahrungen, die Kinder im Alltag mit Konflikten machen, und die Muster der Konfliktbearbeitung, die sie verinnerlichen, prägen ihre Fähigkeit und Bereitschaft, sich demokratisch mit gesellschaftlichen Konflikten (im Kleinen und im Großen) auseinadnerzusetzen. Der familiäre Umgang mit Konflikten und das elterliche Erziehungsverhalten haben hier einen großen Einfluss und sind für Kinder wichtige Ressourcen für den Umgang mit Konflikten auch außerhalb der Familie.

Die Übung baut auf dem Video einer Erziehungsszene auf. In drei Schritten reflektieren sie mögliche Reaktionsweisen von Eltern, welche Wirkungen diese auf das Kind haben, und wie man einen demokratieförderlichen Umgang mit Konflikten fördern kann.

Kind auf den Schultern seines Elternteils.

Was bringt mir diese Übung?

Nach der Durchführung der Übung …

  1. haben Sie reflektiert, wie sich unterschiedliches Erziehungsverhalten auf die Konfliktfähigkeit von Kindern auswirken kann,
  2. haben Sie Impulse bekommen, welche alltäglichen Situationen in Familien die Möglichkeit bieten, die Kommunikation zwischen Eltern und Kind demokratiefördernd und partizipativ zu gestalten,
  3. haben Sie eine Sammlung von Karten mit alltagsnahen Erziehungssituationen und Tipps, die Sie nutzen können, um Eltern die Wirkungen ihres Erziehungsverhaltens verständlich zu machen.

Auf geht’s!

Schauen Sie sich den ersten Teil des Video (bis 0:43) aufmerksam an.

(Video auf YouTube ansehen.)

1. Schritt

Bitte schreiben Sie nun eine kurze Fortsetzung der Situation mit folgender Frage:

Wie würde ein demokratiestärkender/demokratiehemmender Verlauf aussehen?

Nachdem Sie damit fertig sind, schauen Sie sich jetzt das untenstehende Video an. Sie werden nochmals die Szene sehen, zu der Sie eine Fortsetzung geschrieben haben. Außerdem werden Sie zwei mögliche erzieherische Verläufe der Situation sehen.

2. Schritt

Reflektieren Sie, wie sich die unterschiedlichen Reaktionsweisen der Eltern auf Linas inneren Konflikt bzgl. der Teilnahme am Fußballturnier auswirken. Überlegen Sie für die beiden Verläufe jeweils anhand der drei Fragen:

  • Was kennezeichnet das Erziehungsverhalten der Eltern?
  • Versetzen Sie sich in Lina herein: Welche Gefühle empfindet Lina angesichts der Reaktion ihrer Eltern?
  • Was lernt Lina jeweils in der Situation in Bezug auf ihre Beteiligung an Konfliktlösungsprozessen?

3. Schritt

Sammeln Sie fünf alltägliche Konfliktsituationen in Familien, die sich gut eignen, um einen demokratieförderlichen Umgang mit Konflikten von Kindern untereinander und in der Eltern-Kind-Interaktion zu fördern. Überlegen Sie sich anschließend für jede dieser Situationen einen konkreten Tipp, der Eltern gegeben werden kann, um das Kind in einer produktiven Konfliktbearbeitung zu unterstützen. (Bei Bedarf können Sie unsere Hinweise für einem demokratieförderenden Umgang mit Konflikten als Anregung für die Ausarbeitung der Tipps nutzen.)

Halten Sie Ihre Ergebnisse anschließend auf Karteikarten fest:

  1. Notieren Sie die typische Erziehungssituation auf der Vorderseite.
  2. Halten Sie auf der Rückseite Ihren praktischen Tipp für die Situation fest.

Sie haben nun eine Sammlung mit fünf typischen Alltagssituationen. Diese können genutzt werden, um Eltern für die Relevanz des eigenen Erziehungsverhaltens für eine demokratische Entwicklung des Kindes zu sensibilisieren. Außerdem haben Sie fünf konkrete Tipps, die Sie Eltern für einen demokratieförderlichen Umgang mit Konflikten mitgeben können. Diese Sammlung kann als Vorbereitung auf Elterngespräche und Elternseminare genutzt werden.

Fachrkräfte, die miteinander diskutieren.

Von der Übung zur Praxis: Ein Karteikasten für demokratieförderliche Erziehungstipps

Selbstverständlich sind die gesammelten Situationen und Tipps nur ein Ausgangspunkt. Sie können nach und nach typische Situationen und Tipps für einen demokratieförderlichen Umgang mit ihnen ergänzen – auch über Konfliktsituationen hinaus. Ergänzen Sie eine Karteikarte, wenn in einem Elterngespräch demokratierelevante Situationen besprochen werden. Ergänzen Sie Tipps, die sich aus den Gesprächen mit Eltern ergeben und die sich in der Erfahrung von Eltern als praxistauglich bewährt haben.

Es ist wichtig, Eltern konkrete Strategien und Ansätze mitzugeben, die ihnen helfen, demokratieförderlich zu agieren und die konkret an ihren alltäglichen Erfahrungen und Herausforderungen anknüpfen. Mit den Karteikarten zu Situationen und Tipps für eine demokratieförderliche Erziehung steht Ihnen und Ihrem Team ein Werkzeug dafür zur Verfügung, welches Sie für Ihre konkreten Bedarfe ausbauen und anpassen können. Mit der Zeit kann so ein ganzer Karteikasten entstehen, der aus der Praxis für die Praxis nutzbar ist.

Danke, dass Sie die Online-Übung Mit Konflikten demokratisch umgehen bearbeitet haben!

Wir versuchen dieses Angebot beständig zu verbessern. Wenn Sie Vorschläge oder Anmerkungen zur Gestaltung der Übung oder den Aufgabenstellungen haben, würden wir uns über ein kleines Feedback freuen. E-Mail

Hinweise für einen demokratiefördernden Umgang mit Konflikten

Demokratiefähigkeiten, die Kindern demokratische Teilhabe erleichtern und Partizipation stärken, sind zum Beispiel Konflikt- und Verfahrensfähigkeiten. Indem Eltern mit ihren Kindern gemeinsam Regeln und Vereinbarungen für das Zusammenleben aushandeln und sich gemeinsam verbindlich an diesen orientieren, lernen sowohl die Kinder als auch die Eltern, sich auf Augenhöhe zu begegnen, Aushandlungsprozesse dynamisch zu gestalten und die Bedürfnisse aller in die Gestaltung des Alltags miteinzubeziehen.

Ein demokratieförderlicher Umgang mit Konflikten strebt keine Konfliktfreiheit, sondern die Entwicklung von Konfliktfähigkeit(en) aller an. Die Demokratiepädagogik geht davon aus, dass eine Vermeidung von Konflikten (etwa aus Angst vor der Reaktion anderer oder aus Unsicherheit) einer wirklichen Klärung der Konfliktursachen oder einer Annäherung von Konfliktbeteiligten entgegensteht. Darum sollten Konflikte direkt angesprochen werden. Damit wird ermöglicht, sich gemeinsam mit dem Konflikt und seinen Ursachen auseinander zu setzen. Sonst besteht nicht zuletzt die Gefahr, dass Konflikte weiter schwelen und zu einem späteren Zeitpunkt umso unversöhnlicher offen zutage treten.

Offen mit Konflikten umzugehen bedarf einer grundlegenden Sicherheit in die Verlässlichkeit von Beziehungen, auch über einen Streit hinaus. Für Multiplikator*innen in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, aber auch für Eltern, bedeutet dies, Kindern und Jugendlichen vorzuleben und zu vermitteln, dass Konflikte nicht die Bindungssicherheit und die grundsätzliche Anerkennung anderer beeinträchtigen.

Für den demokratiepädagogischen Umgang mit Konflikten in der Praxis bedeutet dies zweierlei: Erstens spielt die eigene Haltung eine große Rolle. Ein demokratischer Umgang mit Konflikten kann nur funktionieren, wenn Kinder und Eltern als gleichberechtigte Konfliktbeteiligte anerkannt und Konflikte als Möglichkeit der gemeinsamen demokratischen Weiterentwicklung wahrgenommen werden. Zweitens beeinflussen die Organisation von und die Kommunikation in Konfliktgesprächen die Entwicklung eines Konfliktes maßgeblich.

Tipps für den Umgang mit Kindern in Konfliktsituationen:

  1. Begegnen Sie dem Kind auf Augenhöhe und nehmen Sie seine Bedürfnisse ernst.
  2. Machen Sie deutlich, dass ein Streit nicht die Beziehung zu Ihnen oder anderen beteiligten Bezugspersonen gefährdet.
  3. In Konfliktsituationen brauchen Kinder Verständnis. Darüber hinaus sollten sie aber auch ermutigt werden, Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
  4. Vereinbaren Sie verbindliche Regeln für den Umgang mit einem Konfliktthema mit und für alle Beteiligten.
  5. Konflikte können in der Regel gelöst werden, wenn beide Parteien sich dazu bereit erklären ihre Position und/oder ihre Interessen zu verändern. Es gibt Situationen, bei denen Menschen allerdings auf ihrem Standpunkt beharren, was insbesonere in Konfliktsituationen mit Kindern altersentsprechend durchaus normal und gesund ist. Hier kann es in der Kindheitsphase helfen, gemeinsam zu überlegen, wie die Auswirkungen des Konfliktes möglich gering gehalten werden können, um die Bindungssicherheit und die Beziehung nicht zu beeinträchtigen.
  6. Begegnen Sie Konflikten nicht mit Vorwürfen, sondern nutzen Sie gezielte Ich-Botschaften.
  7. Schaffen Sie ein vertrauensvolles Setting für eine konstruktive Bewältigung von Konflikten. Suchen Sie einen ruhigen Ort und wählen Sie einen Zeitpunkt, an dem alle Beteiligten Kapazitäten für ein Gespräch haben.

Impressum

Herausgeber:
IFAK e.V., Bochum
Engelsburgerstr. 168
44793 Bochum

Konzeption:
Demokratisch. Gemeinsam. Wachsen. Eltern als Partner*innen der Demokratieförderung
www.ifak-bochum.de/DeGeWa

In Kooperation mit:
ExPO – Extremismus Prävention Online
ex-position.de

Bilder:
Eigene Fotos | Kid on shoulders, Jon Tyson, Free to use under the Unsplash License, https://unsplash.com/photos/h59X60iZ5sE | Team Meeting, Andreea Avramescu, Free to use under the Unsplash License, https://unsplash.com/photos/wR56AUlEsE4.

Gefördert vom: